Von Claire Rutkowski, Chief Innovation Officer
Für viele von uns ist das neue Geschäftsjahr eine Gelegenheit, darüber nachzudenken, was gut gelaufen ist, zu überprüfen, was hätte besser laufen können, Vorsätze zu fassen und Ziele zu setzen. Für Architektur-, Ingenieur- und Bauunternehmen (AEC) waren die letzten Jahre wahrscheinlich unvorhersehbar. Das Jahr 2023 verspricht noch mehr Ungewissheit, vor allem aufgrund anhaltender Konflikte, einer drohenden Rezession und wirtschaftlicher Unbeständigkeit.
Im Januar war ich an dem Podcast „The Critical Path“ beteiligt, der von Engineering News-Record (ENR) herausgegeben wurde. Wir haben darüber gesprochen, welche Vorsätze CEOs im AEC-Bereich für 2023 fassen sollten. Das vollständige Gespräch können Sie sich hier anschauen (oder nur die Audioaufzeichnung anhören).
Wenn Sie nur ein paar Minuten Zeit haben, finden Sie hier eine Zusammenfassung meiner Empfehlungen:
Schauen wir uns die einzelnen Punkte ein wenig genauer an.
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Wir befinden uns in einer Zeit wirtschaftlicher Turbulenzen, die wahrscheinlich auch 2023 andauern werden. AEC-Firmen sollten sich überlegen, wie sie ihre Gewinnspannen schützen, ihre Kosten senken und ihre Einnahmen steigern können. Doch wie?
Die Suche nach Effizienzsteigerungen zum Ausgleich von Gewinneinbußen ist ein einfacher erster Schritt. In Anbetracht der zahlreichen Arbeitsrückstände und des Fachkräftemangels in unserer Branche ist eine Reduzierung des Personalbestands jedoch definitiv nicht die Lösung. Denken Sie stattdessen über andere Kürzungen nach. Können Sie eine kleinere Immobilienfläche nutzen? Haben Sie Regalware, die Sie ausmustern können? Dann sollten Sie Wege zur Optimierung von Geschäftsprozessen finden. Das dient nicht nur der kontinuierlichen Verbesserung, sondern schafft auch Zeit und Raum für einen höheren Durchsatz. Als Nächstes sollten Sie sich mit dem komponentenbasierten Entwurf befassen und davon Gebrauch machen, falls Sie dies nicht bereits tun. Die Entwicklung einer Komponentenbibliothek auf der Grundlage bestehender Entwürfe ermöglicht die Wiederverwendung dieser Komponenten, ohne dass Sie das Rad neu erfinden müssen. Das spart Zeit und Mühe, selbst wenn nur für einen Teil eines Entwurfs bestehende Komponenten verwendet werden. Außerdem wird so das Wissen der Planer und Ingenieure institutionalisiert. Selbst wenn sie das Unternehmen verlassen oder in den Ruhestand gehen, bleiben ihre Kenntnisse in ihren Komponenten erhalten.
Bei der Schaffung und Förderung von Effizienz ist es wichtig, das Umsatzwachstum im Auge zu behalten. Erwägen Sie, einige der von Ihnen angebotenen Dienstleistungen neu zu gestalten, z. B. mit Realitätserfassung, der Nutzung von erweiterter und virtueller Realität und der Bereitstellung oder sogar Pflege von digitalen Zwillingen für Ihre Kunden. Denken Sie darüber nach, wie Sie Ferninspektionen durchführen und diese Daten nutzen können, um mehr Erkenntnisse zu gewinnen.
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Das Umsatzwachstum durch erweiterte Angebote kann einige Investitionen erfordern. Widerstehen Sie dem Impuls, alle Ausgaben einzustellen oder die Digitalisierung zu stoppen. Sie können es sich nicht leisten, die digitale Weiterentwicklung Ihres Unternehmens aufzugeben. AEC Advisors führte 2022 eine Umfrage zur Digitalisierung durch und stellte fest, dass nach Ansicht der Befragten innerhalb von zehn Jahren 36 % ihres Umsatzes direkt aus digitalen Initiativen stammen werden. Innerhalb einer Generation wird sich dieser Anteil auf die HÄLFTE ihres Umsatzes erhöhen. Bleiben Sie also nicht zurück. Sorgen Sie dafür, dass Sie eine digitale Strategie haben und sich kontinuierlich weiterentwickeln.
Ihre digitalen Initiativen könnten Folgendes umfassen:
Einsatz von Drohnen (zwei Drittel der Unternehmen arbeiten bereits intern damit)
Proprietäre Analytik (die Hälfte der Unternehmen investiert bereits in diesen Bereich)
Anwendung von maschinellem Lernen
3D-/4D-Vermessung und -Modelle
Bauüberwachung
Digitale Zwillinge für Infrastruktur
Überwachung mit dem Internet der Dinge (IoT)
Simulationen der Widerstandsfähigkeit von Anlagen
Das Wichtigste ist, dass Sie dort ansetzen, wo Sie sich gerade befinden, mit der Arbeit loslegen und sie vorantreiben.
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Die Herausforderung des Fachkräftemangels stellt sich meiner Meinung nach für alle, sowohl innerhalb als auch außerhalb unserer Branche. Unternehmen jeder Art müssen flexibel und offen für neue Einstellungsmöglichkeiten sein. Sie sind nicht verpflichtet, nur Arbeitskräfte in Ihrer direkten Umgebung anzuwerben. Denken Sie global und seien Sie offen für alternative Arbeitsformen. Überlegen Sie, welche Fähigkeiten ein Muss sind und welche durch Schulungen erlernt werden können, damit sich mehr Interessenten auf die Stelle bewerben, ohne die Messlatte für die tatsächlichen Anforderungen zu senken. Achten Sie auf eine sorgfältige Formulierung von Stellenbeschreibungen, um Diversität zu gewährleisten. In den letzten Jahren hat eine Vielzahl von Untersuchungen gezeigt, dass sich Frauen nur auf Stellen bewerben, für die sie 100 % der „Anforderungen“ erfüllen, während sich Männer bewerben, sobald sie eine Schwelle von 60 % erreichen. Schon eine einfache Änderung des Wortes „Anforderungen“ in „bevorzugte Qualifikationen“ ermutigt mehr Menschen, sich zu bewerben. Und schließlich sollten Sie sich damit abfinden, dass eine höhere Mitarbeiterfluktuation zu erwarten ist. Verbessern Sie Ihr Onboarding: Es sollte ansprechender, schneller und effizienter sein.
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Mit virtuellen Teams und alternativen Arbeitsstandorten können Sie die besten und klügsten Köpfe an jedem beliebigen Ort einstellen. Um das Beste aus diesen Teams herauszuholen, müssen Sie selbst aktiv werden, um den Effekt der räumlichen Nähe (Proximity Bias) zu vermeiden. Dieser Effekt bedeutet, dass Menschen, die uns „näher“ sind, also Menschen, die wir im Büro sehen, positiver wahrgenommen werden. Im Jahr 2021 (nach dem Lockdown) führte die Society for Human Resource Management eine Umfrage unter mehr als 800 Personen mit Führungsaufgaben durch:
- 67 % gaben an, dass Mitarbeitende im Homeoffice leichter zu ersetzen seien als Mitarbeitende vor Ort.
- 42 % gaben zu, dass sie bei der Zuteilung von Arbeit die Mitarbeiter im Homeoffice schon einmal übersehen haben.
- Die meisten waren der Meinung, dass die Arbeitnehmer vor Ort produktiver seien.
Das Hauptproblem beim Proximity Bias ist, dass er nicht der Realität entspricht. Die Daten sagen nämlich etwas anderes. Beschäftigte in Telearbeit sind generell 15 % produktiver als ihre Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Unter dem Gesichtspunkt der Diversität ist es zudem am wahrscheinlichsten, dass die am stärksten marginalisierten Personen nicht ins Büro gehen wollen. Wenn der Proximity Bias fortbesteht, haben diese Personen weniger Chancen auf eine Beförderung. Dies wirkt sich wiederum negativ auf die Vielfalt aus. So entsteht ein Teufelskreis.
Die Überwindung des Proximity Bias ist nicht schwer. Alle sollten gleich behandelt werden. Verbringen Sie bewusst gleich viel Zeit mit Ihren Mitarbeitenden, die im Büro und von zu Hause aus arbeiten. Schaffen Sie ein Gefühl von Teamgeist, das beide Gruppen einschließt. Übertragen Sie Mitarbeitenden im Homeoffice die Verantwortung für bestimmte Aufgaben. Legen Sie transparente und für alle einsehbare Ziele fest, damit sich niemand fragen muss, an welchen Aufgaben die anderen gerade arbeiten.
Ich wünsche Ihnen alles Gute für ein gesundes, erfolgreiches und gewinnbringendes Jahr 2023!